Im Rahmen meiner phänomenologischen Raumforschung kommt dem Medium der Fotografie eine Vermittlerfunktion zu. Gelingendes Verstehen räumlicher Situationen setzt die phänomenographische Präzisierung von Eindrücken voraus. Die Güte einer Explikation verdankt sich einer hohen Detailliertheit und (mehr intuitiven denn denotativen) Genauigkeit des Beschriebenen. Die Sprache der Wissenschaft bietet sich schon aufgrund des relativ hohen Abstraktionsgrades ihrer Terminologie nur bedingt zur treffenden Aussage eines Erlebens an. Im Unterscheid dazu ist die Alltagssprache situativ anpassungsfähiger. Zwar bewahrt die Etymologie eine große Vielfalt an (mitunter vergessenen) Bedeutungen auf, die zum Teil in Redewendungen noch lebendig geblieben sind. Jedoch unterliegt der Gebrauch der Alltagssprache zeitgeistigen Moden und einem schnellen Wechsel der Sprachkulturen. Der Fotografie fällt die Aufgabe einer gleichsam „zweiten“ Explikation im Medium des Ästhetischen zu. Was sie in Bildern zur Anschauung bringt, erweitert das mit den Ausdrucksmitteln der diskursiven Sprache Gesagte oder Sagbare. Das Bild verbreitert die Basis phänomenologischer Raumforschung, indem es neben dem diskursiven einen zweiten ästhetischen Weg der Kommunikation eröffnet. Die Fotografie steht in dieser Funktion zwischen Wissenschaft und Kunst. Sie folgt weder der Struktur wissenschaftlicher Theorien noch den rituellen Praktiken der Selbstinszenierung moderner Kunst. Wort und Bild bilden eine gebrochene Einheit, in deren Ausdruck sich das Bedenkbare auf produktive Weise verdichtet.